
Frieden für dich
Es war noch früh am Morgen, als er beschloss, endlich nach Hause zu kommen. Die Sonne kämpfte gegen den Nebel, der ihm die Sicht verbarg und die Heimkehr so erschwerte. Der morastige Boden klebte an den Sohlen seiner schwarzen Stiefel. Mit jedem Schritt wurden sie schwerer und zwangen ihn schon bald zur Rast. Unter einem alten, vom Sturm gebeutelten Baum fand er letztlich ein wenig Trockenheit. Seit Wochen war er unterwegs. Auf der Flucht. Zunächst ohne Ziel. Einfach nur weg von all dem Irrsinn.
Erst nach einigen Tagen ohne Rast und Ruhe fragte er sich, wohin er überhaupt gehen sollte. Irgendwann würde der Schutz des Waldes aufhören. Keine Kronen, unter denen er sich verstecken könnte. Wenn das Dickicht ihn erst einmal freigeben würde, wäre er verloren. Schutzlos. Verletzlich. Wie das Wild beim Äsen in der Morgendämmerung. Entschlossen ging er weiter. Willens dem Ungewissen voll Mut und Hoffnung entgegenzugehen. Nichts, aber auch gar nichts würde ihn davon abhalten, den Frieden zu finden. „Es muss ihn geben“, sagte er laut, um nicht mutlos zu werden, „ganz sicher gibt es ihn. Irgendwo.“
Entschlossen stand er auf und klopfte den getrockneten Schlamm von seinen Schuhen. Der Rucksack auf dem Rücken war leicht geworden. Kaum noch Gepäck. Alle Reserven waren auf der langen Reise aufgebraucht. Dennoch fühlte sich sein Rücken an, als trüge er die Last der Welt auf seinen Schultern.
Währenddessen verging kein Moment, an dem sie nicht an ihn dachte. Voller Hoffnung blickte sie jeden Tag aus dem Fenster und zählte die Aschewolken am Horizont. Von Tag zu Tag wurden sie größer. Sie kamen näher. „Wie lang braucht er denn noch?“, fragte sie sich leise, damit die Kinder sie nicht hörten. Sie nahm eine Glasscherbe und ritzte eine weitere Kerbe in das hölzerne Fensterbrett. Nicht mehr viele Blicke aus diesem Fenster, dann würde sie zum nächsten gehen müssen.
Langsam ließ sie das weiße Blatt Papier in ihren Schoß sinken – wie jeden Abend seit seiner Abreise. Ihr Blick löste sich nicht von den Buchstaben. Von jenen wenigen Worten, die ihr geblieben waren:
Nur durch die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dir gelingt mir die Flucht. Stunden mit dir vergehen in Sekunden, aber lassen mich noch Tage lang durchhalten. Du bist wie ein Traum für mich, von dem ich nie gedacht hätte, ihn träumen zu wollen. Ich finde den Frieden – für dich.