
In Krisenzeiten bitte Mama – Mobbing inklusive
Ich bin Mutter. Ich bekomme ständig den Frust meiner Kinder zu spüren. Sie lassen alle ihre Gefühle und Launen an mir aus. Ungefragt. Und ich habe mir angewöhnt, darauf mit Gelassenheit zu reagieren und zu warten, bis der Anfall vorbei ist. Ich bin da, begleite sie und helfe ihnen durch Frust und Ärger hindurch. Das habe ich nie gelernt, weder im Studium noch in der Ausbildung. Es ist im Grunde eine im Laufe der Zeit erworbene Zusatzqualifikation: das Muttersein. 😊
Möglicherweise vermitteln Mütter dieses Gefühl nach außen ja auch. Ich meine das Gefühl, dass sie es aushalten, wenn man bei ihnen den Frust ablässt, seinen Gefühlen freien Lauf lässt.
Ich rede nicht davon, dass Mamas perfekt sind, keine Fehler machen oder nie überfordert sind. Nein. So oft komme ich als Mama an meine Grenzen. Im Grunde genommen muss ich nahezu täglich über meine Grenzen hinaus gehen und wachsen. Manchmal bewege ich mich an nur einem einzigen Tag zwischen Himmelhochjauchzend und totalem Nervenzusammenbruch. Wenn mir jemand zeigt, wie machtlos ich eigentlich sein kann, dann meine Kinder, die ihren ganz eigenen Kopf haben. Zähneputzen nein. Anziehen nein. Gebrüll. Geschrei. Streit. Zu Zeiten von Homeoffice mit integrierter Kinderbetreuung hat das ganz andere Ausmaße angenommen. In beide Richtungen. Überschwängliche Liebe bis zum Himmel und wieder zurück ist normal geworden. Und genauso ist es mit den Auseinandersetzungen, die wir haben. Sowohl Liebe als auch Streit sind viel intensiver. Umso mehr bin ich gefragt, denn: Ich bin der Mama-Manager. Das sagt nicht zuletzt auch mein Mann. Ich muss es sein, die (mit) streitet, schlichtet, verhandelt, ablenkt, tröstet… Egal welches Gefühl die Oberhand gewinnt, letztlich bekommt es Mama ab. Egal wie viel Wut, Liebe, Frust – wo ist Mama? Hunger, Durst, Müdigkeit – wo ist Mama? Und das heißt nicht, dass es nicht auch Papa kann, will oder möchte. Doch der hat eben einfach mit Arbeit so viel zu tun, dass er nicht immer einspringen kann. Und mal ehrlich: Gegen die Mutterbrust hat er nun mal keine Chance. Das liegt einfach in der Natur der Sache. 😊
Im Grunde befinde ich mich als Mama also in einer Dauerkrise. Wenn nicht in meiner, dann in der Krise meiner Kinder, die am Anfang ihres Lebens stehen und in unterschiedlichen Lebensphasen von Frust, Wut und Verzweiflung völlig überrascht werden. Für die im Moment ein zerstörtes Lego-Set oder eine kaputte Schaukel der absolute Weltuntergang sind. Die neuen Buntstifte sind verschwunden – Krise. Die Lieblingshose zerrissen – Krise. Das Bonbonglas ist leer – Krise. Da heißt es für mich: Nerven behalten und Ruhe bewahren. Lösungen suchen. Frust und Wut abprallen lassen. Krisen aussitzen und den beiden helfen, daraus gestärkt hervor zu gehen. Nicht immer einfach. Aber das trainiert für den Ernstfall. Genau das könnten sich doch die Vorgesetzten im Büro auch zunutze machen und das Muttersein als Zusatzqualifikation (vor allem in Krisenzeiten) verstehen. Leider habe ich in den letzten 12 Jahren von vielen berufstätigen Frauen erfahren, die genau deshalb, weil sie Mutter (geworden) sind, plötzlich an die Seite gedrängt wurden. Kaum aus der Elternzeit wiedergekommen, wurden sie nicht mehr für voll genommen oder sogar gemobbt, damit sie möglichst bald aufgeben und die Stelle frei machen. Intoleranz und Egoismus, Neid und Missgunst der Kollegen, die mit sich selbst nicht zufrieden sind. Sie lassen ihre Launen scheinbar wie kleine Kinder an den Frauen aus, die eben leichter Krisen bewältigen – ihre eigenen und die der anderen.
Möglicherweise ist diese ganz besondere Ausstrahlung von Müttern ja auch eine Erklärung für das Mobbing oder die Diskriminierung von Müttern am Arbeitsplatz. Denn überforderte Chefs, die blind sind für den Mehrwert einer Mutter im Team und zugleich auch unfähig sind, diese Bereicherung vernünftig ins Arbeitsumfeld zu integrieren, gibt es wohl leider in Hülle und Fülle. Was wohl deren Mütter dazu sagen würden?